Wir

Ich lebe in einem kleinen Zimmer nahe dem Fluss.
Ein zahmer Ortsteil,
dem Zentrum einen Brückenwurf entfernt.
Nachts die Rollläden wegen der Straßenlaterne,
tagsüber der Bus und die Autos.

Wenn ich die Treppe vom ersten Stock zur Haustür gehe
pfeife ich im Treppenhaus.
Vor der Tür der schmale Streifen Himmel über der Häuserschlucht.
Üblich.

Am Flussufer sieht man die Promenade der anderen Seite.
Die Oper, Kirchtürme, weiter hinten hohe moderne Gebäude.
Die schwere Brücke mit ihrem seichten kraftvollen Schwung.
Myriaden kleiner Wellenfalten auf dem Wasser
in ihrer erstaunlichen, unendlichen Choreografie.

Überall das Raunen von Autos, Straßenbahnen, großer Frachtkähne,
drei, vier oder fünf Container breit.
Ich sehe eine Frau mit Hund,
das Zelt unter der Brücke,
Schülerinnen mit Handy und bemalten Fingern.

Ich denke an meine Mutter - Demenz.
An den drögen Kuchen
und ihre dankbaren milchig-grauen Augen.

Wer sind wir nur?

[8. Februar 2025]